Der Comic wird erwachsen
„Comics, die sind doch Kinderkram“, hört man gar nicht so selten. Mickey Maus, Donald Duck, Asterix und Obelix, Superman oder Spiderman, wir kennen sie alle aus unserer Kinder- und Teenagerzeit.
Gerade hier in Deutschland werden Comics, dieses Medium der Bild- und Erzählkunst, gerne noch belächelt, handelte es sich doch bisher um einen stark abgegrenzten Nischenmarkt innerhalb des großen Büchermarktes. Abgegrenzt in unseren Köpfen und abgegrenzt in einer der hinteren Regalreihen des Buchhandels.
Ganz anders übrigens in unseren Nachbarländern, wie Frankreich, Belgien, Italien und Spanien oder, wenn wir über den großen Teich blicken, Länder, wie den USA oder Japan. Dort sind Comics aus der jeweilgen Kultur des Landes seit vielen Jahrzehnten gar nicht mehr wegzudenken, demnach auch um einiges angesehener und besser vermarktet.
Als Mitte der 90er Jahre sogenannte Anime, japanische Zeichentrickserien wie Dragon Ball oder Sailormoon, erstmals auf deutschen TV-Kanälen ausgestrahlt wurden, rüttelten diese auch den deutschen Comicmarkt ordentlich auf.
Wie man bei Carlsen Comics weiß, weckte das Interesse an Anime auch das Interesse an den Mangaserien, auf denen die Zeichentrickserien beruhten. Sogar eine eigene deutsche Mangaproduktion entstand. Mangaserien aus Deutschland, wie z.B. die Serie Gothic Sports (erschienen bei Tokyopop) von der Zeichnerin und Autorin Anike Hage, wurden bis in die USA veröffentlicht.
Von 1997 bis 2007 stieg der jährliche Umsatz von Manga in Deutschland von rund zwei Millionen Euro auf mehr als 62 Millionen Euro an. Was stattliche 75% des gesamten Umsatzes des deutschen Comicmarktes darstellt.
Dennoch, für ein großes Industrieland wie Deutschland, ist der heimische Comicmarkt noch immer ein Winzling.
Bekannte japanische Mangaserien verkaufen sich heute nach wie vor sehr gut, westliche Comics schon um einiges schlechter. Manch hiesiger Comicautor kann einen Erfolg verbuchen, wenn sich sein Werk in 3-stelligen Zahlen verkaufen kann.
Doch nun macht sich ein neuer Aufwind auf dem deutschen und internationalen Comicmarkt bemerkbar, der diesmal nicht aus Japan sondern aus den USA aufzieht.
Im November letzten Jahres rief das ARD Kulturmagazin Aspekte medienwirksam aus: „Der Comic ist erwachsen geworden“ . Ein neuer Boom hat den Comicmarkt ergriffen, der verspricht, eine größere Zielgruppe denn je zu erreichen und zu begeistern:
Die Graphic Novel!
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Roman/Novelle oder Comic? Oder vielleicht beides? Bildquelle: http://www.avtramp.se |
Was ist eigentlich eine Graphic Novel?
Um eines vorwegzunehmen: eine allgemeingültige und festgeschriebene Defintion gibt es de facto nicht. Auch Ralph Keiser, Programmleiter von Carlsen Comics, kann das nur bestätigen. (siehe Interview mit Ralph Keiser)
Tatsächlich kommen bei der Frage, was eine Graphic Novel genaugenommen ist, selbst alte Hasen der Branche erst einmal ins Grübeln und danach sogar zu reichlich Diskussionsstoff. Denn, wie später noch beschrieben werden soll, kommt auch die Graphic Novel nicht ohne ihre eigene Kontroverse aus.
Ironischerweise gab selbst der „Erfinder“ der Graphic Novel, der amerikanische Comickünstler Will Eisner (über den später ebenfalls noch berichtet werden soll), einmal zu, der Begriff „Graphic Novel“ wäre ein Spontaneinfall seinerseits gewesen, ohne dass dem große Überlegungen vorausgegangen waren. Als er einem Verleger sein neues Projekt vorstellte, wollte er diesen auf keinen Fall mit der schnöden Bezeichnung „Comic“ abschrecken.
Wenn man sich aber ganz vorsichtig einer Definition annähern will, kann man über die Eigenarten der Graphic Novel folgendes hervorheben:
Bei dem Medium handelt es sich um ein erzählerisches Werk, das dem Leser durch eine Sequenz von Illustrationen und Text vermittelt wird. Für gewöhnlich kommt die Erzählung in einem Band zum Abschluss, spezielle Vorgaben zum Umfang gibt es nicht.
Soweit klingt das noch immer nach einem gewöhnlichen Comic. Doch im Infoflyer Was sind Graphic Novels? (auch zum Download als PDF angeboten), den eine Reihe von Verlagen gemeinschaftlich herausgegeben haben, wird, passenderweise in Comicform, erklärt, dass die in Graphic Novels behandelten Themen, sich, aufgrund ihrer anspruchsvolleren und ernsteren Natur, viel eher an Erwachsene, als an Kinder richten.
Themen, die die Weltöffentlichkeit aktuell bewegen, sind besonders beliebt, wie z.B. bei der Graphic Novel Die Wolke (erschienen bei Ravensburger).
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Cover von „Die Wolke“ Bildquelle: http://www.buch.de |
Sie basiert auf dem bereits 1987 erschienenen Jugendroman der Autorin Gudrun Pausewang und wurde 2008 von Anike Hage zeichnerisch umgesetzt. (siehe Interview mit Anike Hage)
Pausewangs Roman, der 1988 mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet wurde, erzählt den fiktiven GAU in einem deutschen Kernkraftwerk und ist heute sicher aktueller denn je.
Man liegt wahrscheinlich gar nicht so falsch, wenn man sagt, dass es sich bei einer Graphic Novel um eine Art „Bild- oder Comicroman“ handelt.
Die Webseite graphic-novel.info, die sich, nach eigenen Worten, ganz dem Aufklären durch Praxis verschrieben hat (indem über Neuigkeiten, Veranstaltungen, Rezensionen und Neuveröffentlichungen der Graphic Novel-Szene berichtet wird), wird außerdem hervorgehoben, dass sich die Graphic Novel nicht nur vom Inhalt her, sondern auch von der äußerlichen Aufmachung vom Comic unterscheidet, besser gesagt, sich unterscheiden will.
Äußerlich, so die Webseite, fügen sich viele der Titel problemlos in die Regale von Literaturbuchhandlungen ein, denn ihr Umfang, die einer Romanveröffentlichung ähnlichen Buchmaße und die oftmals aufwändige Aufmachung auf hochwertigem Papier in Klappenbroschur oder Hardcover würden auch diejenigen Leser ansprechen, die Comics bisher eher scheuten.
Alles bloße Marketingstrategie?
Die Kontroverse um die Graphic Novel
Die Kontroverse um die Graphic Novel
Nun kann man sich durchaus fragen, ob diese Abgrenzung vom gewöhnlichen Comic tatsächlich gerechtfertigt ist und ob es sich bei dem Label „Graphic Novel“ nicht viel eher um die aller neueste Verkaufsmasche handelt, den Comicmarkt wieder etwas in Schwung zu bringen. Denn ein Comic bleibt doch ein Comic, oder? Auch wenn die behandelten Themen nun vielleicht etwas kritischer sein mögen. Und Comicbücher gibt es doch auch schon ewig.
Das Ganze erinnert sehr an die Übernahme des Comicmarktes durch den Manga.
Die japanischen Comics schlugen im Westen ein wie eine Bombe und fanden viele Millionen treuer Fans. Wie bereits erwähnt, trimmten ab da auch viele westliche Zeichner ihre Comics auf Manga, viele Zeichentrickfilme aus den USA, Canada und Frankreich wurden als Anime getarnt. Nicht immer war das, was auf den Markt geworfen wurde, als qualitätvoll zu bezeichnen.
Die Produktion deutscher Manga hat mittlerweile stark abgenommen. Es hat sich herausgestellt, dass sie sich, bis auf ganz wenige Ausnahmen, nicht für die Verlage rentieren. Der Käufer bzw. Nichtkäufer hat gesprochen.
Auch bei der Graphic Novel kann man, wenn man es böse ausdrücken möchte, eine gewisse Form der Ausschlachtung beobachten. So bringt z.B. der amerikanische Verlag Bluewater Productions Graphic Novels gleich im Dutzend heraus, die die Biografien von Justin Bieber, Selena Gomez oder Taylor Lautner erzählen.
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Kunst oder Kommerz? Bildquelle: http://www.bsckids.com |
Es ist sehr fraglich, ob die Lebens(abschnitts)läufe von US-Teeniestars dem angeblichen Anspruch der Graphic Novel gerecht werden. Nicht einmal mehr der Zeichner oder Autor wird auf dem Cover erwähnt...
Alan Moore, selbst Autor von so erfolgreichen Graphic Novels wie Watchmen oder V for Vendetta drückt seine Kritik folgendermaßen aus:
„Es ist ein Marketingbegriff, mit dem ich nie sonderlich warm werden konnte.
Die Bezeichnung „Comic" tut es genau so gut für mich... Das Problem ist, dass heute „Graphic Novel“ gleichzusetzen ist mit: „teures Comicbuch“ . Weil Graphic Novels einiges an Aufmerksamkeit bekamen, packen Leute wie DC-Comics oder Marvel jetzt 6 Ausgaben von irgendeinem wertlosen Mist, den sie gerade zufällig herausgebracht haben, unter ein schickes Cover und nennen es dann die She-Hulk-Graphic Novel...“
(aus folgendem Interview)
Und wenn selbst Eisner, der „Erfinder“ der Graphic Novel, zugibt, der Begriff wäre ein Spontaneinfall gewesen, um einen Verleger zu beeindrucken, dann muss tatsächlich die Frage erlaubt sein, ob nicht auch der Käufer durch einen Namen beeindruckt werden soll.
Vielleicht wirft eine genauere Betrachtung der Entstehung und Idee der Graphic Novel etwas mehr Licht auf die Sache?
Die Entstehungsgeschichte der Graphic Novel
Die Entstehung der Graphic Novel kann man in zwei großen Schritten und mit zwei großen Namen zusammenfassen.
Der erste Schritt vom Comic (der bis zu diesem Zeitpunkt traditionell nur in Zeitungen abgedruckt wurde) zum Comicbuch wurde 1842 unternommen, als in den USA The Adventures of Obadiah Oldbuck erschien. Es handelte sich um ein 40 seitiges, hardgebundes Buch in den Maßen 21,5cm x 21,9cm mit einer Sammlung von im Comicstil gezeichneten Kurzgeschichten.
Sie erzählten von Mr. Oldbuck, der, bevor er endlich seine Angebetete ehelichen konnte, die haarsträubensten Abenteuer erleben muss.
Von der panischen Flucht aus einem Kloster in Frauenkleidung, über waghalsige Klettertouren auf Häuserdächern, bis hin zu einer rasanten Kutschenverfolgungsjagd, muss sich die Geschichte selbst vor heutigen Comedy- und Abenteuergeschichten nicht verstecken.
Der Originaltitel des Comicbuches lautete allerdings Les amours de monsieur Vieux-Bois und war bereits 1827 vom Schweizer Rodolphe Töpffer gezeichnet worden.
1799 in Genf geboren und 1846 dort verstorben, war Töpffer als Lehrer in einer Knabenschule (später auch an der Genfer Akademie) tätig, zeichnete neben seiner Arbeit aber Karikaturen für Zeitungen und veröffentlichte einige (vor allem romantische) Novellen.
Töpffer wird als der Vater des modernen Comics angesehen, denn er war einer der ersten, der mit einer Reihe aufeinanderfolgender Panel (Einzelbilder) eine längere Handlung erzählte. Er experimentierte auch mit der Größe von Paneln um ein Gefühl von Zeit und Bewegung zu vermitteln.
Ursprüglich hatte Töpffer Les amours de monsieur Vieux-Bois und einige weitere Comicgeschichten nur zur eigenen Belustigung und der seiner Studenten gezeichnet. Sie waren also nie zur Veröffentlichung gedacht. Er sah im Medium Comic einen unterhaltsamen Zeitvertreib für Kinder und untere Klassen der Gesellschaft.
Erst durch das Drängen seiner Freunde, zu denen niemand geringerer als Johann Wolfgang von Goethe zählte, ließ er sich schließlich bewegen, der großen Masse seine Comics zugänglich zu machen.
Goethe hatte einmal voller Begeisterung über Töpffers Faust-Parodie Dr. Festus geschrieben:
Die Veröffentlichung von Töpffers Werken erlebte Goethe jedoch nicht mehr.
Den Schritt vom Comicbuch zur ersten Graphic Novel schreibt man William Erwin „Will“ Eisner zu.
Geboren 1917 in New York und verstorben im Januar 2005, war Eisner der Sohn einer jüdischen Immigranten-Familie, der es zu einem der erfolgreichsten und einflussreichsten Comickünstler aller Zeiten brachte.
Sie erzählten von Mr. Oldbuck, der, bevor er endlich seine Angebetete ehelichen konnte, die haarsträubensten Abenteuer erleben muss.
Von der panischen Flucht aus einem Kloster in Frauenkleidung, über waghalsige Klettertouren auf Häuserdächern, bis hin zu einer rasanten Kutschenverfolgungsjagd, muss sich die Geschichte selbst vor heutigen Comedy- und Abenteuergeschichten nicht verstecken.
Der Originaltitel des Comicbuches lautete allerdings Les amours de monsieur Vieux-Bois und war bereits 1827 vom Schweizer Rodolphe Töpffer gezeichnet worden.
1799 in Genf geboren und 1846 dort verstorben, war Töpffer als Lehrer in einer Knabenschule (später auch an der Genfer Akademie) tätig, zeichnete neben seiner Arbeit aber Karikaturen für Zeitungen und veröffentlichte einige (vor allem romantische) Novellen.
Töpffer wird als der Vater des modernen Comics angesehen, denn er war einer der ersten, der mit einer Reihe aufeinanderfolgender Panel (Einzelbilder) eine längere Handlung erzählte. Er experimentierte auch mit der Größe von Paneln um ein Gefühl von Zeit und Bewegung zu vermitteln.
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Eine Seite aus „Les amours de monsieur Vieux-Bois“ Bildquelle: http://www.fr.wikipedia.org |
Ursprüglich hatte Töpffer Les amours de monsieur Vieux-Bois und einige weitere Comicgeschichten nur zur eigenen Belustigung und der seiner Studenten gezeichnet. Sie waren also nie zur Veröffentlichung gedacht. Er sah im Medium Comic einen unterhaltsamen Zeitvertreib für Kinder und untere Klassen der Gesellschaft.
Erst durch das Drängen seiner Freunde, zu denen niemand geringerer als Johann Wolfgang von Goethe zählte, ließ er sich schließlich bewegen, der großen Masse seine Comics zugänglich zu machen.
Goethe hatte einmal voller Begeisterung über Töpffers Faust-Parodie Dr. Festus geschrieben:
„Es ist wirklich zu toll! Es funkelt alles von Talent und Geist!
Einige Blätter sind ganz unübertrefflich! Wenn er künftig einen weniger frivolen Gegenstand wählte und sich noch ein bißchen mehr zusammennähme,
so würde er Dinge machen, die über alle Begriffe wären.“
Die Veröffentlichung von Töpffers Werken erlebte Goethe jedoch nicht mehr.
Den Schritt vom Comicbuch zur ersten Graphic Novel schreibt man William Erwin „Will“ Eisner zu.
Geboren 1917 in New York und verstorben im Januar 2005, war Eisner der Sohn einer jüdischen Immigranten-Familie, der es zu einem der erfolgreichsten und einflussreichsten Comickünstler aller Zeiten brachte.
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Will Eisner bei der Arbeit Bildquelle: http://www.washingtonpost.com |
Zu seinen Ehren werden jährlich die Will Eisner Comic Industry Awards auf der San Diego Comic-Con (link) vergeben, der größten und bedeutendsten Messe ihrer Art. Die FAZ bezeichnete Eisner kürzlich als den „wichtigsten Zeichner Amerikas“ und Google designte sein Logo am 06.03.2011, zu Ehren des 94. Jahrestags von Eisners Geburt, nach dem Logo seines Erfolgscomics The Spirit.
Eisner fing klein an, in dem er für die Schülerzeitung Cartoons zeichnete. Später studierte er an der Art Students League of New York und arbeitete danach für verschiedenste Zeitungen als Cartoonist.
Zum großen Durchbruch kam er 1940 mit seiner Comicserie The Spirit, die als Beilage in den Sonntagsausgaben von 20 Zeitungen beigelegt war und eine Auflage von über 5 Millionen Ausgaben erreichte.
Der Mystery-Detective-Thriller handelte vom eigentlich totgeglaubten Polizisten Denny Colt, der maskiert und unter dem titelgebenden Namen „The Spirit“ gegen das Verbrechen kämpfte.
Die Serie kam zu großer Beliebtheit, da sie sich wegen ihrer grafischen und erzählerischen Qualität deutlich von anderen Publikationen dieser Zeit abhob.
Eisner lies sich stark von Filmen, speziell vom Film Noir beeinflussen, was sich an der experimentellen Gestaltung der Comicseiten mit starken Kontrasten, ungewöhnlichen Schnitten und Blickwinkeln ablesen lässt.
Nach einer Laufzeit von 12 Jahren wurde die Serie 1952 schließlich eingestellt, als Eisner schon längst nicht mehr selbst daran zeichnete oder schrieb und eigentlich nur noch als Supervisor für andere Zeichner und Autoren fungierte.
In der darauffolgenden Zeit war er vor allem für amerikanische Bundesbehörden als Zeichner von aufklärenden Comics tätig.
Erst in den späten 70er Jahren wandte sich Eisner erneut längeren Erzählungsformen zu, wollte sich jedoch von den seichten Superheldencomics abgrenzen, die mittlerweile den Markt dominierten.
Die Kinder, die mit Superheldencomics aufgewachsen waren, waren längst Erwachsene geworden und denen wollte Eisner nun schon etwas mehr bieten.
Daraufhin entstand A Contract with God, and Other Tenement Stories, das 1978 beim Verlag Baronet Books erschien.
Zum großen Durchbruch kam er 1940 mit seiner Comicserie The Spirit, die als Beilage in den Sonntagsausgaben von 20 Zeitungen beigelegt war und eine Auflage von über 5 Millionen Ausgaben erreichte.
Der Mystery-Detective-Thriller handelte vom eigentlich totgeglaubten Polizisten Denny Colt, der maskiert und unter dem titelgebenden Namen „The Spirit“ gegen das Verbrechen kämpfte.
Die Serie kam zu großer Beliebtheit, da sie sich wegen ihrer grafischen und erzählerischen Qualität deutlich von anderen Publikationen dieser Zeit abhob.
Eisner lies sich stark von Filmen, speziell vom Film Noir beeinflussen, was sich an der experimentellen Gestaltung der Comicseiten mit starken Kontrasten, ungewöhnlichen Schnitten und Blickwinkeln ablesen lässt.
Nach einer Laufzeit von 12 Jahren wurde die Serie 1952 schließlich eingestellt, als Eisner schon längst nicht mehr selbst daran zeichnete oder schrieb und eigentlich nur noch als Supervisor für andere Zeichner und Autoren fungierte.
In der darauffolgenden Zeit war er vor allem für amerikanische Bundesbehörden als Zeichner von aufklärenden Comics tätig.
Erst in den späten 70er Jahren wandte sich Eisner erneut längeren Erzählungsformen zu, wollte sich jedoch von den seichten Superheldencomics abgrenzen, die mittlerweile den Markt dominierten.
Die Kinder, die mit Superheldencomics aufgewachsen waren, waren längst Erwachsene geworden und denen wollte Eisner nun schon etwas mehr bieten.
Daraufhin entstand A Contract with God, and Other Tenement Stories, das 1978 beim Verlag Baronet Books erschien.
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Zum aller ersten Mal wurde der Begriff „Graphic Novel“ auf einem Cover verwendet! Bildquelle: http://www.en.wikipedia.org |
A Contract with God führt den Leser in vier abgeschlossenen Geschichten in die von Immigranten bevölkerte Bronx der 30er Jahre. Jede der Geschichten wird aus dem Blickwinkel eines anderen Hauptcharakters erzählt. Eisner beschreibt einen einst tiefgläubigen Juden, der mit Gott bricht, nachdem der ihm seine kleine Tochter genommen hat; einen alkoholkranken Straßensänger, dem die Chance seines Lebens einfach so durch die Lappen geht; einem weithin verhassten Vermieter, dem Kindesmißbrauch unterstellt wird sowie ein junges Pärchen, in dem beide Partner jeweils nur auf das Geld des anderen aus sind.
In diesen Geschichten verarbeitet Eisner, der selbst in der Bronx gelebt hatte, teils seine eigene Jugend. Er spricht Themen wie bittere Lebensenttäuschung, Tod, Gewalt, Sex und Vorurteile an, so tiefgründig und ernsthaft, wie kaum zuvor in Comicform.
Man kann A Conract with God tatsächlich als halb-autobiografisches Werk bezeichnen, denn, wie Eisner erst 2001 im Vorwort einer Neuauflage erklärte, war er sich selbst die Inspiration für den alten Juden, der mit Gott bricht, nachdem er seine Tochter verliert. Was lange Zeit nicht an die Öffentlichkeit kam und wovon nur enge Freunde Eisners wussten: Auch er hatte eine Tochter, Alice, die in jungen Jahren an Leukemie gestorben war.
In einer Kombination von Text und Bildern war es Eisner gelungen so bewegende Geschichten und so lebendige Charaktere zu erschaffen, wie man es bis zu diesem Zeitpunkt nur Romanen zugetraut hätte.
Es ist sicher nicht übertrieben diese erste Graphic Novel als eine Evolution des Comics zu bezeichnen.
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Anrührende Szene aus „A Contract with God“ Bildquelle: http://www.en.wikipedia.org |
Und im Rückblick auf die zuvor angesprochene Kontroverse um die Graphic Novel (ob sie nun bloße Marketingstrategie ist oder nicht), kann man sich vielleicht darauf einigen, dass sie tatsächlich eine Strategie ist, um neue Käuferschichten zu gewinnen, aber auch, dass sie sich die Abgrenzung, nein, die Hervorhebung vom gewöhnlichen Comic durch ihre Geschichte und Leistung durchaus verdient hat. Gerade hier in Deutschland, wo der Comic nunmal noch immer einen eher zweifelhaften Ruf besitzt.
Grafik-Novelle/ Bildroman/ Comicroman
Die Graphic Novel in Deutschland
Die Graphic Novel in Deutschland
Graphic Novels gibt es in Deutschland eigentlich schon seit den 80er Jahren, weiß Ralph Keiser von Carlsen Comics zu berichten und sie kamen von Anfang an sehr gut beim Publikum an. (siehe Interview mit Ralph Keiser)
Nur der Bedeutung, der heute praktisch zur Marke gewordenen Bezeichnung, war man sich damals noch nicht bewusst.
Als 1980 A Contract with God in Deutschland unter dem Namen Ein Vertrag mit Gott vom Verlag Zweitausendeins (link) herausgegeben wurde, übersetzte man das Label „Graphic Novel“ schlicht (aber treffend) „Eine Geschichte in Bildern“. Die Neuauflage von Carlsen Comics (link) aus dem Jahre 2010 setzt hingegen wieder ganz gezielt auf die originale Bezeichnung „Graphic Novel“.
Anfangs schien man sich hier noch etwas gegen den Anglizismus zu sträuben und jeder Verlag experimentierte mit einem anderen eingedeutschten Begriff, wie die „Grafik Novelle“, dem „Bild-“ oder „Comicroman“.
Mittlerweile hat sich aber die feste Bezeichnung „Graphic Novel“ verlagsübergreifend etabliert.
Carlsen nahm sie (inklusive eigenem Logo) 2007 als festes Segment in sein Programm auf und der erste Titel dieses Segments sollte Autoroute du Soleil von Hervé Baruléa (link) sein.
Viele, selbst dem Medium Comic fremde Verlage, sind mittlerweile auf den Zug aufgesprungen und viele deutsche Zeichner und Autoren haben sich in der Graphic Novel versucht. Wie Ralph Keiser betont, mit Verkaufserfolg, selbst verglichen mit ausländischen Lizenstiteln.
Wer heute eine größere Buchhandlung besucht, wie z.B. die Mayersche Interbook in Trier, der wird mitunter überrascht sein, wie groß die Regalwand ist, in der Graphic Novels und ähnliche Comicformate präsentiert werden.
Vor wenigen Jahren war es deutschlandweit noch üblich, dass sie einfach zwischen Comics und Manga ins Regal gemischt waren. Erst wurden sie immer zahlreicher, mittlerweile haben sie endlich ihren seperaten Platz erhalten.
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Die Graphic Novel hat im 1. Obergeschoss, getrennt vom Comic und gleich bei den Romanen, ihre eigene Regalwand erhalten. Bildquelle: Eigenes Bild mit Erlaubnis von Mayersche Interbook |
Die Zukunftsaussichten der Graphic Novel
Es sieht also, selbst bei kritischer Betrachtungsweise, recht vielversprechend aus für die Graphic Novel und den sich dank ihr im Aufwind befindlichen Comicmarkt.
Nie zuvor zeigten sich auch andere Medien so für den Comic interessiert, haben ihn so ernst genommen und als die Kunstform anerkannt, die er tatsächlich ist.
Der Feuilleton überschlägt sich förmlich mit Lob und immer neuer und umfangreicherer Berichterstattung. Die Süddeutsche Zeitung legte bereits ihre zweite eigene Edition von Graphic Novels nach. (siehe Interview mit Uwe Lochmann).
Nie zuvor war das potentielle Publikum des Comics so groß und könnte sogar noch größer sein, wenn noch mehr Informationsarbeit geleistet würde.
Noch gibt es sicher so einige Bücherwürmer, die ins Schulterzucken geraten, wenn sie mit dem Begriff „Graphic Novel“ konfrontiert werden. Aber was erwartet man auch von einem Medium, das gerade einmal zwei bis drei Jahre im öffentlichen Interesse steht?
Nie zuvor zeigten sich auch andere Medien so für den Comic interessiert, haben ihn so ernst genommen und als die Kunstform anerkannt, die er tatsächlich ist.
Der Feuilleton überschlägt sich förmlich mit Lob und immer neuer und umfangreicherer Berichterstattung. Die Süddeutsche Zeitung legte bereits ihre zweite eigene Edition von Graphic Novels nach. (siehe Interview mit Uwe Lochmann).
Nie zuvor war das potentielle Publikum des Comics so groß und könnte sogar noch größer sein, wenn noch mehr Informationsarbeit geleistet würde.
Noch gibt es sicher so einige Bücherwürmer, die ins Schulterzucken geraten, wenn sie mit dem Begriff „Graphic Novel“ konfrontiert werden. Aber was erwartet man auch von einem Medium, das gerade einmal zwei bis drei Jahre im öffentlichen Interesse steht?
Auf dem Markt, seien es Comics oder andere Produkte, hat sich stets gezeigt, dass sich Qualität letztendlich durchsetzt. Eine Qualität formaler und inhaltlicher Natur, für die die Graphic Novel praktisch mit ihrem Namen steht. Diese Qualität muss natürlich beibehalten werden, auch wenn die Versuchung scheinbar schon jetzt groß geworden ist, mit dem magischen Label „Graphic Novel“ auch aller Hand weniger qualitativer Publikationen zu versehen.
Man kann nur gespannt abwarten, was die Zukunft bringt und ob Will Eisner recht behält, wenn er sagt:
Man kann nur gespannt abwarten, was die Zukunft bringt und ob Will Eisner recht behält, wenn er sagt:
„Die Zukunft der Graphic Novels liegt in der
Relevanz der Themen und in der Innovation der Darstellung.“
(aus Comics & Sequential Art)