Interview mit Sammlerecke-Buchhändler Uwe Lochmann
1) Herr Lochmann, können Sie sich kurz selbst vorstellen?
Uwe Lochmann, 46 J., gelernter Buchhändler
Seit 1991 angestellt bei der Sammlerecke Comics & Romane, dem größten Comicladen in Deutschland.
2) In Ihren eigenen Worten, was ist eigentlich eine Graphic Novel?
Es gibt keinen direkten Unterschied zum Comicalbum.
Unterschied ist, dass das Format meist in + - Din A 5 gehalten und
die Geschichte abgeschlossen ist und dass es meist als Hardcover gebunden ist.
Umfasst jedoch auch alle Genres von Horror über Action, Abenteuer bis hin zur
Fantasy und zu gesellschaftskritischen Geschichten.
3) Haben Sie von folgender Kontroverse gehört:
Graphic Novels = Comics in Buchform = bloße Marketingstrategie?
Der Grundgedanke war sicher über das Format und die abgeschlossene Geschichte
ein Buch in der Hand zu produzieren, welches sich besser im Sortimentsbuchhandel
unterbringen lässt.
4) Wie lange, würden Sie sagen, ist die Graphic Novel schon ein Thema auf dem deutschen Büchermarkt?
Ich habe hier vor ca. 5 Jahren zum ersten Mal den Begriff "Graphic Novel" aufgeschnappt. Richtig thematisiert wurde es dann erst vor zwei bis drei Jahren.
5) Graphic Novels werden heute in größeren Buchhandlungen vom Comic- und Mangaregal getrennt präsentiert. Können sie mir über diese Platzierung/Präsentation etwas genaueres erzählen?
Ich denke, da sich der Begriff GN vom klassischen Comic absetzten möchte, macht auch eine räumliche Trennung Sinn.
Der geneigte literarisch Interessierte soll so wohl auf das "Schmuddelkind" Comic, getarnt in einem edleren Mäntelchen, aufmerksam gemacht werden.
Zeigt auch die Bemühung von Verlagen sowohl eine Alben- als auch eine Buchvariante zu veröffentlichen.
6) Wie „schlagen“ sich Graphic Novels auf dem Markt im Vergleich zu Comics und Manga?
Allein durch den höheren Preis, bedingt durch die bessere Aufmachung und den kleineren Stückzahlen, ist das Publikum schon auf ein finanzkräftigeres beschränkt...
Der klassische Comickunde muss oftmals den Euro ein paar mal umdrehen, bis er ihn ausgibt.
7) Wie ist das Echo der Presse auf das Medium?
Durch GN landet der Comic nun auch im Feuilleton. Besprechungen in FAZ und im Spiegel sind keine Seltenheit und die Süddeutsche Zeitung präsentiert bereits die zweite Staffel mit 10 Bänden aus der Welt des graphischen Romans.
8) Denken Sie, dass noch viel Informationsarbeit zur Graphic Novel betrieben werden muss?
Ich denke, dass die Medien schon einen Fokus darauf haben.
Wenn der Gedanke, dass Comics kein Schund sind sondern für das anerkannt werden, was sie sind -KUNST-, nicht mehr in den Köpfen grassiert, ist der Weg frei für französische Verhältnisse.
In Deutschland freuen sich Verleger bereits über eine Auflage von 10.000 Stück...in Frankreich sind Start-Auflagen von 300.000 Stück keine Seltenheit.
9) Wie sehen Sie die Zukunftschancen der Graphic Novel?
Es ist sicher ein Markt für GN da. Wenn mehr Leser darauf stoßen und sehen, dass man auch mit Bildern eine fantastische Geschichte erzählen kann, wird es auch für die Verlage rentabel.
10) Eine letzte Frage (eigentlich sogar zwei):
Lesen Sie selbst privat auch Graphic Novels? Und haben Sie da eine Empfehlung?
Neben den Serien, die ich schätze und verfolge, lese ich allein berufsbedingt noch drei bis fünf Novitäten, von denen ich monatlich drei für ein Kulturjournal und für unsere Comic Tipps auf www.sammlerecke.de rezensiere. Wobei ich nur Comics vorstelle, die mir persönlich gefallen und die ich somit weiterempfehlen kann.
An GN haben mir in letzter Zeit sehr gut gefallen:
Die Reise mit Bill von Mathias Schultheiss (erschienen beim Splitter Verlag)
Ganz Allein von Cabouté (erschienen bei Carlsen)
Vertraute Fremde von Jiro Taniguchi (erschienen bei Süddeutsche Zeitung Bibliothek)
Haarmann von Isabel Kreitz (erschienen bei Carlsen)
Persepolis von Marjane Satrapi (erschienen bei Edition Moderne)
Blankets von Craig Thompson (erschienen bei Carlsen)
(Das Interview wurde geführt von Marco Paal)